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Ein rechtsextremes Österreich als Konsequenz?

Die Wahlen als das zentrale Element der repräsentativen Demokratie, bringen am 29. September 2024 die FPÖ als stimmenstärkste Kraft hervor. Die vorangegangene Regierung und der Wahlkampf hatten eine Polarisierung geschaffen in dem die langjährige Praxis, dem kleineren Übel seine Stimme zu geben – das taktische Wählen, etwas abgewandelt wurde. 

Unzufriedenheit und Protest kanalisierten sich nun direkt bei der FPÖ die mit Herbert Kickl ihrem Bundesparteiobmann eine Anlaufstelle erschaffen hat die ohne ihm so nicht vorhanden gewesen wäre. Er fuhr mit 28,85% das beste Wahlergebnis der FPÖ ein und distanzierte den nicht gewählten bestehenden Bundeskanzler Karl Nehammer mit 26,27% der Stimmen auf den zweiten Platz und der Kanzleranspruch der SPÖ verflüchtigte sich mit den 21,14% die Andreas Babler seiner Partei bescherte, die ehemals große Koaliation war klein geworden. 

 

ÖVP und SPÖ schafften zusammen 92 von insgesamt 183 Mandaten womit ein regieren nur mit einem 3. Partner möglich ist. Über die Vierprozenthürde als Zugang zum Parlament wird allerdings Parlamentarismus erschwert, womit es nur Neos oder Grüne sein können. Eine Regierung aus FPÖVP ist naheliegend, sie hat eine Mehrheit im Parlament und viele deckungsgleiche Inhalte.

Aber entgegen der langjährigen Usance die stimmenstärkste Partei mit der Regierungsbildung zu beauftragen, hatte der Bundespräsident Alexander Van der Bellen gar nicht vor den Chef  seiner Meinung nach „antieuropäischen Partei” damit zu betrauen.

Er stützte sich auf die von allen Parteien bekundete Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der FPÖ und übertrug Nehammer dem 2. der Wahl die Aufgabe der Regierungsbildung. 

 

Wie bekannt ist sondierten ÖVP, SPÖ und Neos knapp 100 Tage und scheiteten kläglich weil die drei unterschiedlichsten Parteien sich nicht zu Unkenntlichkeit verbiegen wollten und konnten. 

Die Neos die sich im Wahlkampf als die Kraft präsentierte die dem überbordenden Föderalismus zu Leibe rückt und mit ultraliberalen Wirtschafts- und Sozialreformen punkten, aber gleichzeitig die Neutralität Österreichs mit einem Beitritt zur Nato endgültig entsorgen möchte. Die SPÖ die mit Babler vollmundig für Reichensteuern eintrat, bei den Verhandlungen aber plötzlich keine roten Linien mehr ziehen will und sich schon knapp vor einer Einigung wähnte. Und natürlich die ÖVP deren Ideologie jegliche Markteingriffe bei den explodierenden Energiekosten verhinderte wodurch die Inflation in Österreich durch die Decke schoss und die Lohnabschlüsse als Ausgleich höher ausfallen mussten. Nun haben wir eine Wirtschaftskrise und wissen noch immer nicht wie hoch wir inzwischen verschuldet sind.

 

Am 4. Jänner erklärte Nehammer die Verhandlungen für eine Dreierkoalition als gescheitert und verkündigte seinen Rücktritt als Parteichef und Bundeskanzler.

 

Was wir im folgenden nun erlebten gibt einen Einblick wie situationselastisch Politik in Österreich sein kann. Der Bundespräsident der Kickl 2019 auf Ersuchen des damaligen Kanzlers Kurz als Minister abberufen hat ermächtig diesen nun Verhandlungen zur Regierungsbildung zu führen. Das ist eine Inkonsequenz sondergleichen die Alexander Van der Bellen nötigen wird, falls eine Koalition FPÖVP zustande kommt, Kickl als Bundeskanzler anzugeloben obwohl er dieser als Innenminister für untragbar gehalten hat.

Und es kommt noch dicker. Der Scharfmacher und Generalsekretär Christian Stocker wird Interimsparteichef der ÖVP und mutiert sogleich zum Verhandlungspartner eines Gegenüber das er als Hochrisiko bezeichnet. Er der Kickl ausrichtete „Es braucht Sie keiner“ wird nun die ÖVP in die Regierung hinein verhandeln.

Dass Kickl reagiert wie man eben reagiert wenn jemand eine 180 Gradwendung vollbringt ist hier ganz gut dokumentiert.

https://www.oe24.at/video/politik/regierungsbildung-statement-von-fpoe-chef-herbert-kickl/619678551


 

Wie kann nun eingeschätzt werden wohin sich die Republik bei einer nicht unwahrscheinlichen FPÖVP Regierung entwickeln wird?

Vielleicht sind dazu noch einige Fakten und Fragen zu beachten.

Zur Person von Herbert Kickl, der in seiner Partei nicht unbestritten, sehr wohl aber als der Erfolgsbringer von Allen anerkannt ist, da wird sich erst zeigen wohin die Reise geht wenn er die Schalthebeln der Macht bedient. Seine Radikalität in der Sprache wird er wohl ablegen wenn er eine Regierung führen möchte, nicht aber seine Ideologie die er offensichtlich hat. 

Könnte es sein dass er die FPÖ als Vehikel für seine Ideen benutzt die weit über den Horizont einer „rechtskonservativen Partei” hinausreichen und sich erst entwickeln werden?

Mit einem aus dem Ruder laufenden Budgetdefizit ergeben sich viele Möglichkeiten die durchaus das Potential eines Komplettumbau dieser Republik als Gefahr erkennen lassen, Stichwort 3. Republik.

„Das Recht hat der Politik zu folgen” ist zwar prinzipiell nicht falsch, weil das Parlament ja Gesetze auf den Weg bringt, aber im Zusammenhang mit Rechtstreitigkeiten ist es essentiell eine unabhängige Justiz zur Verfügung zu haben wo das Recht politische Aktionen regelt.

Wenn sich FPÖVP der Wirtschaft annehmen, bedeutet das dass die Wirtschaft dann die Politik bestimmt? Ein hoher Lohnanteil und Migration erfordern dann radikale Kürzungen um dem Problem Konkurrenzfähigkeit und Überfremdung Herr zu werden und überhaupt soll unproduktiven Menschen das Leben erschwert werden damit sich Leistung wieder lohne.

Wer definiert überhaut Leistung, die Politik, die hat Ahnung wie es ist wenn Menschen zu Doppelschichten im Krankenhaus gezwungen werden weil Personal fehlt das das Gesundheitsbudget nicht hergibt.

Das liebe Geld spielt auch eine Rolle in der zukünftigen Außenpolitik bzw. Mitgliedschaft in der EU. Ist es für Österreich förderlich wenn sich die EU vom Friedensprojekt zu einer „Verteidigungsgemeinschaft” unter Mitwirkung der NATO entwickelt, die massivste Aufrüstung betreiben will um sich gegen Feinde (wer ist der Feind?) wappnen zu können.

Wie positionieren sich FPÖVP hinkünftig im Israel- und im Ukrainekrieg der noch immer wütet, als Vermittler der Ausgleich und Frieden versucht oder als Scharfmacher der sich sogar gegen die UNO stellt. Wird Russland weiterhin als alleiniger Haupttäter und Aggressor betrachtet werden oder gelingt einer neuen Regierung eine notwendige Differenzierung?

 

Es ist davon auszugehen dass das konservative Österreich nun zum erzkonservativen und  hoffentlich nicht zu einem rechtsextremen Österreich werden wird. Noch beinhaltet das Land eine parlamentarische Opposition und eine wache Zivilgesellschaft die diesen Prozess genau beobachtet. Gäbe es Anlass zur Korrektur bestimmter Vorhaben von FPÖVP so könnte dass auch bewirken dass sich eine konstruktive, breite Bewegung konsolidiert.

Wäre nicht schlecht!