Erklärung von Selbstbestimmtes Österreich zur gescheiterten „Großen Koalition“
1)
Seit fast vier Jahrzehnten haben die liberalen Eliten versucht, die FPÖ von der Macht fernzuhalten oder auf die Rolle des Mehrheitsbeschaffers zu reduzieren.
Schon 1987 proklamierte die SPÖ diese Politik, die erst seit kurzem mit dem aus der BRD importierten Begriff „Brandmauer“ bezeichnet wird. Die extreme Mitte stellte sich als Garant gegen die Rechte dar. Dazu waren alle Mittel recht, nämlich die sozialen und politischen Angriffe des globalisierten transatlantischen Kapitalismus immer härter zu exekutieren. Man hängte sich an die ÖVP, unter deren Führung es immer weiter nach rechts ging, wenn auch oft verkleidet. Mit dem „äußeren Sachzwang“ EU wurden systematisch soziale und politische Rechte abgebaut, die Neutralität demontiert und der westliche Krieg gegen Russland unterstützt genauso wie der Völkermord an den Palästinensern. Die Feindbildpolitik zuerst gegen „Ausländer“ und später insbesondere gegen Muslime, DAS Markenzeichen der FPÖ, wurde übernommen, nicht nur von der ÖVP, sondern letztlich von allen parlamentarischen Parteien einschließlich der Grünen.
Diese historisch zum Scheitern verurteilte Politik ist nun tatsächlich an ihrem Ende angekommen.
Man hat damit erst der FPÖ die Möglichkeit gegeben, sich zu entwickeln und den wachsenden Unmut der Bevölkerung und vor allem der unteren Schichten auf eine rechte, systemische Art zu artikulieren und zu reintegrieren.
Zum Schluss war das Vakuum bei der Linken so groß, dass die FPÖ selbst linke Themen, wie demokratische Grundrechte gegen das Corona-Regime sowie die Neutralität und den Frieden mit Russland aufzugreifen vermochte.
2)
Niemand anders als der Bundespräsident selbst repräsentiert diese historische Niederlage. Er beauftragte, entgegen den Gepflogenheiten, nicht die stärkste Partei mit der Regierungsbildung, sondern wünschte sich die ausgelutschte Große Koalition mit den kapitalistischen Hitmen von den Neos. Ein enormes Geschenk an die FPÖ, die damit in den Umfragen gleich einen weiteren Aufstieg machte.
Hätte er die FPÖ gleich mit der Regierungsbildung beauftragt, hätte sich Kickl zumindest beweisen müssen.
Van der Bellen hat von Anfang an klargemacht, um was es wirklich geht: absolute Treue zur EU und zu den transatlantischen kapitalistischen Eliten. Niemand darf ausscheren, Wählerwille hin oder her. Und das ist bei der FPÖ nicht mehr so sicher.
3)
Die SPÖ unter Babler ist ein jämmerlicher Spielball der kapitalistischen Eliten. Sie haben sich bis zur Selbstaufgabe an die ÖVP gebunden, die mit ihnen seit Jahrzehnten Schlitten fährt – aufgrund der Brandmauer. Die Neos haben ein brutales Programm des Klassenkampfes von oben formuliert, im Dienste der ÖVP und der Herrschenden: Erhöhung der Mehrwertsteuer, Pensionssenkungen, Kürzung der Sozialausgaben, also die Beschleunigung der alten Tendenz der Umverteilung von unten nach oben.
Dem Vernehmen nach haben dann Gewerkschafter die Notbremse gezogen.
Doch das bleibt defensiv und ohne Perspektive: denn sie müssten dem üblichen Programm der „Budgetsanierung“ durch Ausgabenkürzungen bei den Unterklassen etwas entgegensetzen, was aber den größeren Rahmen der neoliberalen EU in Frage stellen müsste. Dazu haben sie weder den Mut, noch die Weitsicht oder die politische Intelligenz. Dieses urlinke Thema überlassen sie lieber der Rechten.
Von der SPÖ bleibt nichts anderes als ein Häufchen Elend. Lieber als Widerstand leisten, lassen sie sich an die Schlachtbank führen. Das war schon einmal so.
4)
Die FPÖ befindet sich auf den ersten Blick in einer komfortablen Lage. Sie braucht sich nichts von der ÖVP diktieren zu lassen, denn gegenwärtig würden Neuwahlen ihnen zu einem weiteren Höhenflug verhelfen. Es ist also durchaus möglich, dass es zu diesen kommt.
Aber das Problem der FPÖ liegt in ihren außenpolitischen Versprechungen versus der Einbindung in die Bourgeoisie. Denn ein Teil der kapitalistischen Klasse unterstützt sie oder will sie zumindest eingebunden wissen. Ihren Aufstieg verdankt sie auch diesen Verbindungen.
Bleibt sie bei ihren Versprechungen hart, nicht nur gegen Skyshield, sondern zur Neutralität überhaupt und zum Frieden mit Russland, dann wird sie von den transatlantischen EU-Eliten Widerstand spüren. Tut sie das nicht, dann werden viele den Eindruck einer Wiederholung von Schwarzblau I+II haben, wo die Freiheitlichen nur als Mehrheitsbeschaffer fungierten.
Sehr viel hängt vom Faktor Trump ab. Wir haben gesehen, wie Zuckerberg umgefallen ist. Dieses Phänomen werden wir nun auf breiter Front sehen. Im Windschatten von Trump kann die FPÖ eventuell in einer Politik des Ausgleichs mit Russland viel weiter gehen, als es heute denkbar scheint.
Das wird in der EU Spaltungsprozesse vorantreiben, umso mehr, als sich der russische Erfolg in Abwehr der Nato konsolidieren kann. Man wird sehen, ob sich Österreich gegen die Russland-Sanktionen mit der Slowakei, Ungarn und vielleicht noch anderen verbünden wird. Das müssen wir im Sinne der politischen, sozialen und nationalen Selbstbestimmung, die sich letztlich gegenseitig bedingen, unterstützen.
5)
Die letzten vierzig Jahre waren durch die Abwesenheit oder Marginalisierung einer gesellschaftlich relevanten demokratischen, sozialen und antiimperialistischen Opposition geprägt. Der Linksliberalismus hatte alles blockiert.
Angesichts des Aufstiegs der FPÖ und des Zusammenbruchs des Linksliberalismus ist das Vakuum auf der Linken so groß wie nie. Wenn nicht eine echte antagonistische Kraft entsteht, dann wird es neoliberale Linke wie Pogo oder die KPÖ geben, die diesen Platz zu füllen versuchen. Diese Alternative gilt es zu bilden, und zwar schnell.
Diese Opposition muss einerseits die FPÖ, was die Neutralität und den Frieden mit Russland betrifft sowie den Rückbau der EU, beim Wort nehmen. Man darf dabei nicht vergessen, dass sie ebenfalls für hemmungslose Aufrüstung eintritt, die man leicht als außerhalb der NATO befindlich deklarieren kann, obwohl es genau der Forderung von USA/EU-NATO entspricht. Andererseits ist die FPÖ, wie die anderen, eine kapitalistische Elitenpartei, die gemeinsam mit der ÖVP deren Programm durchzusetzen versuchen wird. Dagegen muss der soziale und demokratische Widerstand entwickelt werden, so wie zuvor auch schon. Und genauso wie gegen den Völkermord an den Palästinensern, müssen wir gegen die Feindbildpolitik in Verteidigung der demokratischen Grundrechte und insbesondere der Muslime kämpfen.
Weiteres Ziel ist eine Volksregierung für Frieden, Neutralität, Demokratie, soziale Gerechtigkeit sowie Erhalt der Umwelt. Das scheint weit entfernt. Ist es auch. Aber die Dinge sind ins Rutschen gekommen.