Wir befinden uns in einer neuen politisch-sozialen Opposition zusammen – mit revolutionären Zielen.
Allein der Klang dieses Begriffs wirkt isolierend, entrückend, auf der Vergangenheit und das Scheitern verweisend – und dennoch ist er notwendig, um unser Projekt zu charakterisieren. Er zeigt die Widersprüchlichkeit der Situation. Eine Gesellschaft in einer Sackgasse, aus der nur durch den Bruch mit den herrschenden Eliten, ja ihrem Sturz, herauszukommen ist, wozu die Gesellschaft aber offensichtlich nicht bereit ist.
Zur Vorgeschichte eine historische Positionsbestimmung: Wir kommen aus der Periode des Neoliberalismus. Dieser stieg aus auf der Basis der tiefen Niederlage aller Emanzipationsversuche des 20. Jahrhundert auf. Anders als nach dem Wiener Kongress, als aus Angst vom Gespenst der Revolution, die finsterste Reaktion herrschte, konnte sich der Neoliberalismus generös zeigen. Er hatte keine Angst mehr viele kulturelle Forderungen der Arbeiterbewegung zu adoptieren. Der Konservativismus hat als exklusiver ideologischer Schild ausgedient und dient nur mehr Variante.
In den 1990ern war diese Entwicklung noch nicht so klar abzusehen. Selbst retrospektiv verstehen es viele noch nicht. Doch was auf der Hand lag, war das Ende jeder sozialrevolutionären Regung im Westen. Darum haben viele von damals auf den Antiimperialismus als einziges antagonistisches Moment gesetzt: Jugoslawien, Palästina, Afghanistan, Irak, der arabische Frühling – sowie der Kampf gegen die Islamophobie, die als Abwehrschild gegen die antiimperialistischen Impulse dient.
Uns Ziel war es, diesen antisystemischen Impuls aufzunehmen, zu übertragen, zu übersetzen, für eine radikale Opposition hier wirksam werden zu lassen. Wie sehr das gelungen ist, mögen andere beantworten. Jedenfalls reagierten die Herrschenden und ihre Apparate bis tief in die Linke hinein mit totaler Isolation. Man könnte es im Sinne Metternichs als Anerkennung werten. Wir haben unsere Stimme erhoben und einen sozialrevolutionären Standpunkt verteidigt, ohne jedoch auf den Gang der Dinge Einfluss nehmen zu können.
Die Eurokrise nach 2008 stellte einen Wendepunkt dar. Die Globalisierung begann sich zu erschöpfen, auf Widerstände zu stoßen. Sie war zu weit gegangen. Erstmals entstanden wieder Oppositionskräfte, die tendenziell außerhalb des Systems zu stehen drohten.
Klar, schon vorher gab des den vielgestaltigen Rechtspopulismus, der allerlei Unzufriedenheit einsammeln konnte. Doch er lenkte immer wieder ins System zurück und legte den Schwerpunkt auf Kultur- und Sozialchauvinismus, ganz in altrechter Manier.
Doch die Krise der Globalisierung vertiefte sich und die US-Hegemonie bekam immer mehr Risse. Die Eurokrise und die zentrifugalen Tendenzen waren ein Ausdruck davon. Wir reagierten mit der Euroexit-Kampagne du in der Folge mit der Gründung des Personenkomitees Selbstbestimmtes Österreich.
Einige ungeordnete Elemente der neuen Situation: der Aufstieg Chinas, Türkisgrün, das Corona-Regime mit erhöhten öffentlichen Ausgaben, der Ukraine-Krieg als Kampf um die Weltordnung. Das antisystemische Spiel der Kickl-FPÖ (in gewissem Sinn ein Linksschwenk) und der Rechtsschwenk der Linken.
Nichts kann so bleiben wie es war. Doch gleichzeitig sind wir enorm schwach. Wir sind nicht im Vormärz, sondern im Vor-Vormärz.
Das Zentrum der Auseinandersetzungen im Weltsystem bleibt der Gegensatz Zentrum-Periphere. Dahinter steht natürlich eine soziale Auseinandersetzung, die jedoch vielfältige Vermittlungsebenen aufweist, die auch untereinander im Konflikt stehen.
- Der enorme Aufstieg Chinas nicht nur als kapitalistischer Macht, sondern sogar auf der Basis der Globalisierung. Das schreckt nicht nur das US-Zentrum, sondern beflügelt viele periphere Eliten.
- Der Widerstand einiger anderer Regime gegen die monopolare Weltordnung wie dem Iran oder auch Russland, die vielfach gegen ein Projekt demokratischer und sozialer Emanzipation gerichtet sind, aber in gewisser Weise die nationalen Interessen gegen das globale Zentrum repräsentieren.
- Der Widerstand der unteren Klassen und Schichten gegen den Westen und die lokalen Eliten. Das tritt zuweilen auch in Konflikt mit den genannten staatlichen Widerstandsmomenten.
Hier einige Prinzipen und Methoden diese Tendenzen in Beziehung zu setzen, zu kombinieren, die Widersprüche zu bearbeiten – was keine Wissenschaft mehr ist, sondern höchste politische Kunst.
- Das nationale Selbstbestimmungsrecht ist ein mächtiges demokratisches Prinzip, das oft gegen die globalen Eliten gewandt werden kann, die es zuweilen aber selbst zu benutzen vermögen.
- Das globale System hat sehr grob gesagt drei Ebenen. Das Zentrum, periphere große Nationen oftmals im Konflikt mit der obersten Ebene und ganz unter kleinere Nationen in Konflikt mit d er zweiten Ebene. Diese können unter gewissen Umständen im Interesse der ersten Ebene spielen, aber nicht notwendigerweise. Das kann auch wechseln, wie man am Beispiel der Kurden sehen kann.
- Die Schwächung und Niederlage der der US-Ordnung ist eine Grundvoraussetzung für emanzipatorische Entwicklungen. Eine multipolare Ordnung gibt zwar mehr Spielräume, heißt aber noch keineswegs automatisch Emanzipation.
- Für uns zentral bleibt der Widerstand und der Kampf der Völker und ihrer unteren Schichten und Klassen um ihre Emanzipation. Aber sowas gibt es nie nackt, sondern nur im Kontext anderer Widersprüche.
- Für Europa gilt: gegen die EU-Globalisierung eine demokratische Kleinstaaterei setzen.