SEBÖ hatte sich im Spätherbst 2017 nach dem Zusammenbruch der Großen Koalition gegründet. Die Grundidee war und ist der Aufbau einer demokratischen und sozialen Opposition sowie die Herstellung der verfassungsgemäßen außenpolitischen Neutralität – unabhängig davon in welchen Farben die extreme kapitalistische Mitte jeweils schimmern mag.
Seither haben diese Eliten massive Angriffe sowohl auf der politischen als auch der sozialen Ebene initiiert. Die Dauerattacken gegen die Muslime waren schon bevor übliche Praxis, wenn auch nicht derartig stark von der Regierungsbank aus. Diese untergraben systematisch die demokratischen Grundrechte und zementieren einen imaginären inneren Feind, der von der Verantwortung der Herrschenden ablenkt (funktionaler Antisemitismus). Die autoritären Covid-Maßnahmen brachten in der Zweiten Republik bisher unbekannte Demo-Verbote und einen Testlauf für den Ausnahmezustand, was eine massive demokratische (aber nicht soziale) Protestbewegung größten Ausmaßes hervorrief. Auch die neutralitätswidrige politische Beteiligung am NATO-Krieg gegen Russland und die Verhängung der selbstschädigenden Sanktionen stießen auf Opposition. Diese konnte aber kleingehalten werden und schwelt subkutan. In beiden Fällen versagte die historische Linke kläglich und stellte sich auf die Seite des Regimes.
Und dann kam der akute Völkermord in Palästina ab Oktober 2023, den Regierung und Medien auf ekelhafte Weise bejubelten und als „Kampf gegen den Antisemitismus“ umlogen. Die Massenbewegung dagegen versuchte der politisch-mediale Komplex zu unterdrucken, was aber nur teilweise gelang. Seither schmilzt der bisherige Konsens für den israelisch-westlichen Kolonialismus wie Butter in der Sonne dahin.
Ein Ergebnis dessen ist die demokratische Gegenwehr in Form der „Liste GAZA – Stimmen gegen den Völkermord“. Die furchtbare Perspektive, dass jede kommende Regierung wieder als Apologetin des Völkermords handeln würde, diente als Geburtshelfer der Idee, das Versprechen der repräsentativen Demokratie beim Wort zu nehmen. „Wenn sie uns überall ausschließen, dann treten wir aus Protest doch selbst an!“ Um exakt zu sein: dies geschah am 2.5.2024 bei einer Diskussionsveranstaltung im „Freien Wort – offener Debattenraum“, ein Ort, dessen Entstehung selbst eine Reaktion auf die Meinungsdiktate ist. „Wenn sie uns alle Räume verweigern, dann schaffen wir uns eben unseren eigenen, freien!“ Denn für oppositionelle Themen wurden die verfügbaren Räumlichkeiten immer weniger bis hin zu gar keinen.
In weniger als vier Monaten wurde eine frenetische politische Kampagne entwickelt, die eine elektrisierende Wirkung hatte und noch immer hat. Als nach zwei Wochen die notwendigen Unterstützungserklärungen in Wien geschafft waren (was kaum jemand für möglich gehalten hatte), sprang der Funke auch auf die Bundesländer über (was wir selber nicht für möglich gehalten hatten). In Vorarlberg wurden innerhalb von einer Woche die dreifache Anzahl der notwendigen Unterstützungserklärungen gesammelt – gestützt auf Menschen, die vorher so etwas wie politischen Aktivismus nicht gekannt hatten. Eine Standesbeamtin beschrieb es treffend mit „Sturm auf die Magistrate“, eine Formulierung, die sogar von einigen Regimemedien übernommen wurde.
Der letzte Höhepunkt der Kampagne war die Palästina-Demo der Liste GAZA am 21.9., eine Woche vor der Wahl. Mehr als Tausend Menschen fluteten die Landeshauptstadt Bregenz mit 30.000 Einwohnern. Das wäre ohne die politische Perspektive, die die Liste GAZA eröffnet, niemals denkbar gewesen.
Ganz allgemein repräsentieren die Eliten und das politische System nicht mehr die Mehrheit. Sie können sich nur dank der völlig kontrollierten und willfährigen Medienmaschine halten – daher auch der unwiderstehliche Drang nach autoritären Maßnahmen. Zu Palästina und Neutralität ist die Missrepräsentation aber besonders groß. Es ist eine Speerspitze. Und das ist damit auch die Liste GAZA. Ein Symbol für etwas Größeres, viel Größeres.
Natürlich reicht das Programm der Liste GAZA nicht für eine umfassende politisch-soziale Opposition. Aber es ist eben ein Anfang zu den allerwichtigsten Fragen des Kampfes gegen die imperialistische Weltordnung, der Neutralität und der Meinungsfreiheit.
Es gibt noch andere Protestlisten, die vor allem gegen die repressiven Covid-Maßnahmen entstanden sind. Das ist gut so, dass sich die Menschen zur Wehr setzen und organisieren. Gespräche mit diesen oppositionellen Tendenzen haben stattgefunden und es gibt eine Kooperation im Rahmen des Bündnisses „Stimmen für Neutralität“. Aber im globalen Konflikt der Widerstandsbewegungen und der ausgescherten Staaten mit dem US-Empire bleiben sie äquidistant. Das ist entschieden zu wenig.
Wer also eine antikapitalistische Opposition schaffen will, der sollte die Liste GAZA wählen, um die außerparlamentarische Opposition zu stärken.
Und diese hat die Form des Bündnisses „Stimmen für Neutralität“ angenommen. Zahlreiche Proponenten aus den unterschiedlichsten Bereichen der Linken und zukünftig auch darüber hinaus tragen die Initiative, die auch von einem Dutzend Gruppen unterstützt wird. Am 21.9.24 hat es mit der Demonstration für Frieden und Neutralität in Wien mit mehr als tausend Teilnehmern ein kräftiges Lebenszeichen gegeben.
Reicht das aus? Für jene, die linear denken, sicher nicht. Denn mit der bisherigen Entwicklungsgeschwindigkeit wären wir nicht einmal am Stanktnimmerleinstag am Ziel angelangt. Doch es kündigen sich große Umbrüche an. Nicht nur, dass Völkermord niemals ungestraft bleibt ist. Dafür ist immer ein Preis zu bezahlen. Die globalen Eliten überschreiten mittlerweile alle Grenzen. Für den Machterhalt überziehen sie die Welt nicht nur mit Krieg und Terror, sondern sie reagieren auf den Verlust von Unterstützung mit Autoritarismus auch in den bisher als sicher geltenden Zentren. Überall im Westen zerfallen die politischen Systeme. Das Gespenst des „Populismus“ wird an die Wand gemalt, gegen das vorgegangen werden müsse. In Frankreich missachtet man einfach die Wahlergebnisse. In der alten DDR wollen die Menschen den Krieg gegen Russland nicht mittragen und wählen die Westparteien ab. Und in Ungarn und der Slowakei versuchen sich sogar Teile der Eliten gegen den selbstzerstörerischen Kriegskurs der NATO aufzulehnen, was ohne die Unterstützung der Bevölkerung schlicht undenkbar wäre.
Für den Gedeih und die Sicherheit Österreichs ist die Neutralität unerlässlich. Österreich ist auferstanden (und wurde in Wirklichkeit geboren) in Absetzung zum deutschen Imperialismus. Ewiger Friede mit Russland lautete die politische Quintessenz der immerwährenden Neutralität. Jetzt zwingen uns die Herrschenden in einen neuen Krieg gegen Russland an der Seite von USA/NATO/EU-Imperialismus. Das kann nur in die Katastrophe führen, zumal auch dieser Raubkrieg in letzter Konsequenz verloren gehen wird.
Mit der Beteiligung an Skyshield hat unser politisches System in einem noch nie dagewesenen Ausmaß kapituliert und sich an der nuklearen Bedrohung Russlands durch die USA/NATO beteiligt, die eine der tieferliegenden Gründe des Krieges in der Ukraine darstellt. Es ist eine Form der nachträglichen Kriegserklärung an Russland.
Die kapitalistischen Eliten führen uns nicht nur in einen furchtbaren globalen Krieg. Sie zerstören auch alle sozialen und politischen Errungenschaften der Zweiten Republik. In Konsequenz gefährden sie die Existenz Österreichs als Nation, weil die Absetzung vom Imperialismus unsere raison d’etre ist. (Man könnte es auch Dämpfung nennen, was es de facto war, weil die Neutralität in der Westorientierung nicht vollständig umgesetzt wurde.) Wenn die Mehrheit, oder auch eine signifikante Minderheit, das zu verstehen beginnt, dann werden die Verhältnisse auch bei uns ins Rutschen geraten.
Das nationale Rettungsprogramm dagegen: eine Regierung des Friedens und der Neutralität!
Darauf bereiten sich Selbstbestimmtes Österreich und das Bündnis Stimmen für Neutralität vor. Das aktuelle Werkzeug dafür ist indes die Liste GAZA, die als Türöffner dienen kann. Finde auch Du deine Stimme und hilf mit, die Forderung nach Frieden und Neutralität unmissverständlich hörbar zu machen.