Von vielen fand man keinerlei Spuren mehr. Hunderttausende starben in späteren Jahren an den Folgen bzw. erlitten Langzeitfolgen der Atombomben-Explosion und der radioaktiven Strahlung. Die beide Städte in Schutt, Asche und Verstrahlung legenden Abwürfe waren die bislang einzigen Einsätze von Atomwaffen in einem Krieg und stehen mit an der Spitze historisch beispielsloses Kriegsverbrechen.
Atomarer Massenmord für die US-Nachkriegsordnung
Hiroshima, eine vorrangig zivile Stadt, wurde dabei gewählt, wie es in den mittlerweile freigegebenen Dokumenten in blanker Menschenverachtung heißt, weil es „den Vorteil“ hatte, „dass es so groß und durch die umliegenden Berge so eingekesselt ist, dass die Zerstörung eines großen Teils der Stadt zu erwarten ist“. Um dieses maximale Vernichtungspotential gänzlich auszuschöpfen, wurden auch die Wetterberichte fein säuberlich in das konkrete Datum der Abwürfe auf die beiden sich noch nicht einmal in der Liste der 33 wichtigsten Angriffsziele in Japan befindlichen Städte einbezogen. Die nukleare Auslöschung der beiden Städte folgte denn auch keinerlei gearteten militärischen Erwägungen in Bezug auf Japan. Das bestätigte im selben Jahr schon der seinerzeit höchste US-Militär, der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, Admiral Willam D. Leahy, offen: „Die Japaner waren bereits geschlagen und zur Kapitulation bereit.“ Das nukleare Inferno erfolgte vielmehr als Drohung und Damoklesschwert gegen die Sowjetunion, was heute auch von fast sämtlichen sachkundigen ForscherInnen und HistorikerInnen so gesehen wird. Demgemäß gelangte Patrick M. S. Blackett, Nobelpreisträger für Physik 1948 und Atomwaffenkritiker, bereits wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs zum Schluss, „dass der Abwurf der Atombomben nicht so sehr der letzte Akt des zweiten Weltkriegs war als vielmehr eine der ersten größeren Operationen im Kalten Krieg mit Russland.“ D.h. im Klartext: insgesamt mehr als 400.000 japanische Zivilisten wurden kurzerhand der Globalstrategie des US-Imperialismus für die Nachkriegsordnung geopfert.
Über die Schwelle der apokalyptischen Gemeingefährlichkeit: forcierte westliche Blockkonfrontation im Atomzeitalter
Obwohl der Ersteinsatz von Kernwaffen seit Hiroshima als international geächtet gilt und allerspätestens seit der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs vom 8. Juni 1996 absolut unvereinbar mit dem Völkerrecht ist, beharrt die NATO bis heute auf ihrer strategischen Verankerung einer sog. „Vorwärtsverteidigung“ oder „präventiven“ Atomwaffen-Erstschlägen. Und dies zu allem noch vor dem Hintergrund, dass das heutige (viel „modernere“) Atomwaffenarsenal nochmals um ein Vielfachtes an Zerstörungswucht gewonnen hat.
Stärker noch: Die neue, „unfassbare Nonchalance“ (Brigadegeneral a.D. Helmut Ganser) mit der im Kontext des von Washington ausgerufenen neuen Weltordnungskonflikts und des Ukrainekriegs heute in den Hauptquartieren der NATO und zahlreichen Hauptstädten des Metropolenkapitalismus wieder über die Führbarkeit eines Atomkriegs diskutiert und seine Überlebbar- und Gewinnbarkeit erwogen wird, verschlägt selbst hartgesottensten ehemals höchsten militärischen Führungskreisen die Sprache.
Das neue atomare Wettrüsten und die Renaissance der Idee eines führbaren Atomkriegs
„Wir leben in einer der gefährlichsten Zeiten in der Geschichte der Menschheit“, warnte denn auch das renommierte Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI jüngst. „Wir haben seit dem Kalten Krieg nicht mehr erlebt, dass Atomwaffen eine so herausragende Rolle in den internationalen Beziehungen spielen.“ Entsprechend explodierten auch die Ausgaben des neuen nuklearen Wettrüstens in den vergangenen fünf Jahren um mehr als ein Drittel (von 68 Milliarden auf 91 Milliarden Dollar) – wovon mit knapp 52 Milliarden auf die USA mehr als auf alle anderen Atommächte zusammen entfällt.
Begleitend kündigte die NATO einen Ausbau des einsatzbereiten Atomwaffenarsenals des westlichen Militärbündnisses an, sprich: mehr Atomraketen und Sprengköpfe aus den Silos auf Scharf zu stellen. Mit der erneuten Hochrüstung an Kernwaffen, den neuen Generationen von Atombomben und den –einst schon in die Mottenkiste der Nuklearkriegs-Zocker verräumten – Unterminierungsvorhaben der ohnehin fragilen Balance des atomaren „Gleichgewichts des Schreckens“ im Sinne des „Wer als Erster schießt, stirbt als Zweiter“, wird nicht weniger als der Idee führbarer resp. geplanter Atomkriege wieder der Weg gebahnt. Denn mit der Renaissance der Idee bzw. dem Unterfangen einer mutmaßlichen Möglichkeit gezielter „Enthauptungsschläge“ gegen die politischen und militärischen Führungsstrukturen des Kontrahenten oder dem Glauben, die eigene Abwehr so dicht und präzise organisiert zu haben, dass man die Atomraketen des Gegners alle oder mindestens weitgehend abfangen kann, und damit eine Gegenwehr des Kontrahenten (weitgehend) auszuschalten, oder den Wahnsinnsangriffen auf die Nuklearabwehr des Gegners, kann sich nämlich die nämliche Seite in der Lage zu einem Atomkrieg wähnen.
„Sky Shield“: Die Schaffung der Option für einen atomaren Erstschlag
Entsprechend stellt auch das euphemistisch als „Abwehrsystem“ firmierende „Sky Shield“-Projekt, dem Österreich am 28. Mai offiziell beigetreten ist, entgegen seiner verstellenden öffentlichen Darstellung vielmehr einen fundamentalen Baustein eines militärisch-konfrontativen nuklearen Paradigmenwechsel dar. Denn das „Raketensystem“ der europäischen NATO- und Vasallenländer, soll unter militärischem Befehl des NATO-Oberkommandeur, dem sogenannten Saceur, auch einen „heißen“ Krieg mit Russland führbar machen – mit gezielten „Enthauptungsschlägen“ und dicht gestaffelter Ausschaltung von dessen „Zweitschlagskapazität“. Gerade das sollte der 1972 abgeschlossene (von George W. Bush bereits 2001 einseitig aufgekündigte) ABM-Vertrag, „sverhindern, dass sich eine Seite durch den Aufbau eines flächendeckenden Rakentenabwehrsystems nahezu unverwundbar gemacht hätte – mit fatalen Folgen für das Prinzip der gesicherten gegenseitigen atomaren Abschreckung“, worauf vor kurzen mit Jochen Scholz, ehemals u.a. im NATO-Hauptquartier Alliierte Luftstreitkräfte tätig, nicht zuletzt auch wieder ein Ex-Militär von Rang den Finger legte. „Im Klartext bedeutet dies“, so Scholz es kurz und direkt auf den Punkt bringend, „die Schaffung einer Option für den atomaren Erstschlag“ der NATO und des Westens.
Wahnsinn mit Kalkül
Auf einem anderen Frontabschnitt des neuen Weltordnungskriegs wurde die Schwelle zur apokalyptischen Gemeingefährlichkeit auch bereits schon überschritten. Vom politischen Personal und der Journaille des Westens als „spektakulärer Schlag“ Kiews (und der USA) gegen „Moskau“ und „Putin“ gefeiert, stockte Militärexperten hingegen der Atem ob des Wahnsinnsakts der mehrmaligen Bombardierung russischen Radarsysteme zur Frühwarnung vor US-amerikanischen Atomschlägen auf das Land. Diese Angriffe, so selbst der ansonsten stets medial zu Wort gebetene, bekannte österreichische Militärstratege und Militärhistoriker Markus Reisner, „könnte die Bedingungen erfüllen, die Russland im Jahr 2020 öffentlich für gegnerische Angriffe festgelegt hat, die einen nuklearen Vergeltungsschlag auslösen könnten“. Die Lage ist damit „neuerlich eskaliert“ worden und „überaus ernst“. Angesichts dieses Wahnsinns mit Vorsatz meldete sich der ehemalige Vorsitzender des NATO-Militärausschusses Harald Kujat noch eindringlicher: „Ich befürchte“, so der Ex-NATO-Militär zum Vabanquespiel des Westens, „der Ukraine-Krieg könnte zur Urkatastrophe des 21. Jahrhunderts werden“ – und sei es „bloß“ aus Versehen durch Missverständnisse und Fehlinterpretationen oder auch forcierte Provokationen bzw. ein halsbrecherisches militärisches Austesten.
Vor dem Hintergrund dieser neuen Atomkriegsgefahr gewinnen das heurige Gedenken an das nukleare Kriegsverbrechen in Hiroshima und Nagasaki und die Verteidigung sowie Wiedereröffnung aktiven Perspektiven der Österreichischen Neutralität nochmals speziell an Brisanz.
Am 9. August 2024 15h veranstaltet das Bündnis Stimmen für Neutralität, dem Selbstbestimmtes Österreich angehört, eine Gedenkkundgebung am Stephansplatz, die sich gleichzeitig gegen die österreichische Beteiligung um nuklearen Dispositv der NATO richtet - unter dem verharmlosenden Namen "Sky Shield".