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Frankreich II: Die Wahlen und die Linke

Die Resultate des ersten Wahlgangs vom 30. Juni entsprechen national sehr genau den Umfragen. Aufschlussreich ist aber ein Blick auf die regionalen Verhältnisse, Sie sagen politisch Einiges aus. 

Paris sticht aus der blauen Fläche heraus, welche den Erfolg des RN, Le Pens und Bardellas, abbil­det. Daneben gibt es einige wenige Städte und Gebiete, wo sich die Macron-Leute gehalten haben, also die bürgerlichen Liberalen. Die Aussage ist klar. Paris mag Problem-Bezirke und einen unruhigen Rand haben. Aber in der engeren Stadt sind auch die Macronisten, die Etablierten, zu Hause; und es gibt linke Areale.

Über die Ergebnisse im Einzelnen müssen wir nicht noch einmal sprechen. Die bereits fixen Mandate haben zwar eine gewisse Aussage. Soweit ich es überblicke, haben die Lepenisten 37 Abgeordnete, die NVF 33 und die Macronisten zwei. Das sagt etwas über lokale Schwerpunkte und vielleicht auch über die persönliche Verankerung einzelner Kandidaten / Kandidatinnen. Auch der Absturz der Präsidenten-Partei wird nochmals deutlich. Die plebeischen Schichten sind jedenfalls weitgehend zu den Rechtspopulisten abgewandert. 

Sehr wohl sprechen müssen wir aber über die Politik, welche sich bereits einen Tag nach der Wahl deutlich abzeichnet. Die „Neue Volksfront“ (NVF) übt den Schulterschluss mit Macron. Im Grund hat er gerade darauf spekuliert. Jetzt tut ihm, trotz seines politischen Bankrotts, die NVF den Ge­fallen. Macron hat sich also nicht verspekuliert, jedenfalls nicht in dieser Hinsicht. Es geschieht genau das, was er und die Euro-Bürokratie sich wünschen. Ob es ihn retten wird, ist noch eine Frage, die auch von Zufällen (Wahlsystem) abhängt.


Überlegen wir einmal:

(1) Sollen oder dürfen wir das Wahlprogramm des RN ernst nehmen? Da stehen eine Reihe von Vorhaben drinnen, die dem linken Programm deutlich stärker entsprechen als das Macron-Pro­gramm: Sie wollen angeblich die sogenannte Pensions-„Reform“, gegen das Parlament autoritär durchgedrückt, zumindest teilweise rückgängig machen. Sie wollen „Europa“, d. h. die EU ein bisschen zurück binden; … Wird das geschehen? Eher nicht. Das wäre die Gelegenheit, das RN ein wenig zu entzaubern. Es ist kein Zufall, dass überall dort, wo die Rechtspopulisten in der letzten Zeit an der Regierung beteiligt wurden, sie bei den EP-Wahlen sehr deutlich verloren haben. Und wenn sie wirklich tun sollten, was sie ankündigen: umso besser.

(2) Die Eliten haben offenbar große Angst vor dem RN. Somit wäre es für eine Linke doch wohl logisch, da genauer hinzusehen und die Impulse aufzugreifen. Sich auf Macrons Seite zu schlagen, ist strategisch eine reine Katastrophe. Das macht alle Beteiligten bei den Massen völlig unglaub­würdig. Die realistische „Gefahr“ besteht darin, dass das RN das nicht tut, wofür es der Großteil seiner Wähler wählen – und das ist höchst wahrscheinlich. Sie werden die Politik Macrons weiterführen, sehen wir auf Meloni. 

(3) Es ist also taktisch eine Riesen-Dummheit, sich mit Macron zu alliieren, auch jetzt schon, kurzfristig. Damit gibt diese NVF jeden Anspruch auf eine echte Opposition auf. Doch das ist die logische Folge wie diese NVF ausgehandelt wurde, die sozialdemokratische Dominanz. 

Was wirklich herauskommt, wird, wie schon gesagt, von Zufällen mit abhängen. Das ist das Schicksal jeder Politik, die sich auf reinen Elektoralismus beschränkt. Elektoralismus ist ein gefährlicher Begriff, wenn man aus einer leninistischen Tradition kommt. Dahinter verbirgt sich oft die intellektualistische Verachtung der Massen. Überdies geht es heute nicht zuletzt darum, die politische Bedeutung der Wahlen gegen die Entwertung und die Bemühungen der Bürokratie zu retten. Doch hier hat der abfällige Beigeschmack jede Berechtigung. Für leichte mögliche Vorteile (?) werden grundsätzliche Positionen aufgegeben.

Es ist das Ergebnis einer Analyse, welche zum Einen jeden Blick auf den Klassen-Hintergrund vermeidet, und welche zum Anderen noch immer nicht begriffen hat: Der Hauptgegner heute ist die Bürokratie, welche die Geschäfte des Großkapitals besorgt. Alles dies geht unter in einem panischen „Antifaschismus“, welcher die eigentlichen Kräfte-Verhältnisse völlig verkennt. Alles das weist auf eine vergebene Chance hin.