Die Phrase hält sich noch immer irgendwie: Große Koalition – Dabei vertreten die drei Regierungsparteien kaum mehr 50 % der Bevölkerung.
Entwicklung
Seit dem Beginn der Zweiten Republik, und mit wenigen Ausnahmen bis 1986 hatten ÖVP und SPÖ mehr als 90 % der Stimmen und auch der Mandate. Sicher, da gab es zwei Jahrzehnte lang Allein-Regierungen. Aber selbst damals funktionierte das Arrangement zwischen den beiden Parteien im Hintergrund, besser in der Kreisky-Zeit als vorher unter Klaus und Withalm.
Den ersten Einbruch in diese Front bildete Haiders Erfolg von 1986. Im Hintergrund wirkte die Waldheim-Affäre. Es ging um die eigene Geschichte. Und plötzlich war auch die These aus der Ersten Republik wieder da, die von der Lebens-Unfähigkeit Österreichs bei einer selbständigen Politik. Wie kam dies?
Zum Kamitz-Koren-Lacina-Kurs in der neoliberalen Wirtschaftspolitik gesellte sich nun als Spätfolge der Kreisky-Politik eine elitistische Kulturpolitik. Die Unterschichten wurden dabei tendenziell bereits ausgegrenzt. Die sowieso auf die BRD fixierten Intellektuellen erklärten wieder jede Österreich-Orientierung für reaktionär, obsolet und als „Verzwergung“. Die SPÖ war in den 1970ern zur eigentlichen Österreich-Partei geworden, spät, aber doch. Es war eine pragmatische Anpassung an die Stimmung in der Bevölkerung, im Unterschied zum dogmatischen Deutschnationalismus, den manche in der SP sogar noch in der Nachkriegszeit huldigten. Nach dem Abtritt von Kreisky vollzog sein von ihm ausgesuchter Nachfolger Sinowatz innerparteilich geradezu putschartig eine jähe Wende weg von der bisherigen Politik. Ihre bisherigen Träger, vor allem der Außenminister Lanc, mussten über die Klinge springen. Mit Vranitzky wurde diese Rechtswende zum Dogma. Das traf gerade ihre eigene Massen-Anhängerschaft unvorbereitet. Damit verzichtete die SPÖ aber auch auf die politische Repräsentation der Unterschichten und Unteren Mittelschichten. Noch tasten die Arbeiter in den 1990er auf der Suche nach einer neuen Repräsentanz herum. Heute wählen sie in großer Mehrheit die FPÖ.

Die ÖVP, bis 1970 die dominante Österreich-Partei, sah sich durch Kreisky um ihr Schlachtross gebracht (siehe: „Ein echter Österreicher“ – stillschweigend gegen wen wohl?). Sie konnte sich daher mit diesem Österreich nicht mehr identifizieren und orientierte sich resolut auf EG und USA. Damit öffnete sich für die neue Haider-FPÖ plötzlich ein weites Jagdrevier. Anfangs hatte der junge Führer mit seiner deutschnationalen Tradition – inklusive Redeübungen aus der Schulzeit – noch Schwierigkeiten. Er stotterte ganz wörtlich bei der Aussprache von Österreich. Aber das gab sich rapidest.
Es fand somit in Österreich Ende der 1980er und in den 1990er ein echtes Re-alignment statt. Vergessen wir nicht: Das spielte sich damals vorwiegend auf der kulturellen Ebene statt. Es waren die bürgerlichen und intellektuellen Mittelschichten, die sich umstellten, weg von Österreich. Die Unterschichten, das Volk, blieben österreich-orientiert.
Der Rechtspopulismus war vorerst keineswegs (österreich-) national. Die FPÖ war die erste fanatische E(W)G-Partei. Und sie war auch nicht sozial: Haider fuhr demonstrativ nach Harvard, um sich dort in Kursen neoliberal indoktrinieren zu lassen. Riess-Passer, erste FP-Vizekanzlerin, wird bald überheblich in Richtung Gewerkschaften rufen: Sollen sie halt streiken!
Vorderhand gewann die etablierte Macht. Zur Herrschafts-Sicherung schloss sie sich dem vom deutschen Kapital dominierten westeuropäischen Verbund an. Schon damals, ich glaube, es war 1995, war sich van der Bellen mit der Regierung einig: Innerösterreichisch, ohne Schub von der EU, können wir die [neoliberalen] „Reformen“ nicht durchsetzen.
Gleichzeitig schickte sich die EU an, zum Überstaat zu werden. Aber da gab es jede Menge an Problemen, die wir hier nicht ausführen können. Es genügt, auf zwei Krisen-Prozesse hinzuweisen: Die BRD vereinnahmte die DDR. Auf der einen Seite übernahm sie sich damit längerfristig und legte damit den Keim zur Langfrist-Krise. Auf der anderen Seite gab sie ein Modell vor, mit der die neue Übernation EU die östliche Peripherie strukturierte.
Die EU wollte den politischen Schwung ihrer Staatswerdung ausnützen und sie irreversibel machen. Die Währungsunion, ökonomisch ein Wahnsinn, gewährte dem deutsch-atlantischen Kapital direkt Zugriff auf die peripheren Wirtschaften – und das waren fast alle anderen. Kurz- und mittelfristig war dies ein großer politischer Erfolg. Die Peripherie drängte sich wirklich selbst in die Abhängigkeit hinein. Aber ökonomisch-sozial legte es den Grund zur Dauerkrise. Sie äußerte sich akut erstmals 2008.
Österreich hat den Anschluss an dieses Gebilde und seine Prozesse 1994 / 95 vollzogen. Damals begann jene Dritte Republik, vor welcher uns die politische Klasse und ihre intellektuellen Sprecher so heuchlerisch warnen. Somit erlebte und erlebt Österreich seit damals beide Trends voll mit. Der weiche Euro befeuerte die Export-Wirtschaft. Aber der größere Teil der Bevölkerung bekam sehr wenig davon ab, Denn die Wirtschaft zeigte bald einen Wachstums-Knick. Deshalb, und aus vielerlei sonstigen Gründen, stieg die Unzufriedenheit. Vorderhand war das den Eliten gleichgültig. Denn die FP-Rechtspopulisten schafften der ÖVP-Regierung 2000 eine Mehrheit. Sie selbst zerbrachen daran allerdings in BZÖ und FPÖ.
Globaler Kontext
Der Blick auf den internationalen, den globalen Kontext ist immer wesentlich. Gegenwärtig ist er aber völlig entscheidend. Denn diese österreichische Entwicklung läuft ab in einem sich rapid ändernden Umfeld. Das ist höchst verwirrend und zeichnet sich nur undeutlich ab. Als Beobachter könnten wir zynisch sagen: Es ist ein spannendes Schauspiel. Innerhalb des Kollektiven Westens läuft ein Machtkampf von großer Tragweite ab. In den USA greift das große Finanz- und Techno-Kapital direkt nach der staatlichen Macht. Es scheint sogar, es habe sie bereits in den Händen. Dagegen stellt sich in Westeuropa die neue, weil supranationale Bürokratie. Die Bürokratie glaubt ja seit je, selbst besser und kompetenter den Gesamtkapitalisten zu verkörpern. Seit rund drei Jahrzehnten gelingt es ihr, sich immer stärker zu verselbständigen. Die politischen Spitzen, ihre formellen Auftraggeber, sind im Rahmen der EU weitgehend zu Befehlsempfängern geworden.
Deutsche Kriegswirtschaft:
„Wenn die neue Regierung jetzt mehr Geld für Verteidigung ausgeben möchte, dafür gibt es gute Gründe, müssen die Bürger das auch jetzt finanzieren. Über einen Bundeswehr-Soli z.B.. Oder ein, zwei Extra-Arbeitstage. Beides könnte gut 20 Milliarden Euro / Jahr in die Staatskasse spülen. Und: Merz und Klingbeil müssen ein dickes Sparpaket schnüren.“ - Bild, 4. März 2025 (Leitartikel)
Es stehen sich also die beiden entscheidenden Herrschafts-Strukturen der (post-) modernen kapitalistischen Gesellschaft gegenüber, und zwar gleichzeitig als konkurrierende Imperialismen. Dieser Konflikt manifestiert sich somit keineswegs zufällig am EU-NATO-Krieg in der Ukraine. Der macht im Moment den Anschein, zum reinen EU-Krieg zu werden. Der Krieg ist im Wesentlichen für den Westen verloren. Das US-Kapital will nicht mehr Krieg führen. Seine Gesichter Trump und Musk wollen bekommen, was sie können und gehen in aller Brutalität vor. Sie wollen nicht länger den Festlands-Degen der EU spielen, jedenfalls nicht auf eigene Kosten.
Die EU-Bürokratie lebt nicht direkt vom Profit. Sie kann sich also den Luxus erlauben, ideologisch zu sein und den „freien Westen“ weiter mit Hunderttausenden von Toten in der ukrainischen Bevölkerung zu vertreten. Was bei diesem Machtkampf rauskommt, ist vorderhand unklar. Die westeuropäischen Eliten fühlen sich von den USA abhängig, und sind es in gewisser Weise auch. Deshalb wollen sie noch stärker aufrüsten, um selbständiger zu werden. Zwar sind sie hochgerüstet. Vergleichen wir: Allein die BRD (67 Mrd. $ Militärausgaben 2023) und Frankreich (61 Mrd.) zusammen liegen in der Rüstung deutlich über Russland (109 Mrd.). Aber im Vergleich zu den USA (916 Mrd.) ist dies tatsächlich ein Klacks. Damit können sie die Welt nicht beherrschen. Sie erinnern ein wenig an Charly Chaplin, der als Hitler nachdenklich auf den Globus schaut, wo das Deutsche Reich nicht sonderlich eindrücklich anmutet …
Die neue österreichische Regierung – die Selbstverzwergung gegen die EU
Das Ergebnis der letzten NR-Wahl kam keineswegs überraschend. Aber noch wollten es die Politiker nicht zur Kenntnis nehmen. Erst spielten sich die Rechtsliberalen als Wahlgewinner auf und ließen die Verhandlungen platzen. Dann waren die Altkonservativen bass erstaunt, als Kickl nicht bereit war, Alles über Bord zu werfen, was er wenige Wochen zuvor noch im Wahlkampf gesagt hatte. Das fuhr ihnen in die Glieder. Beim zweiten Anlass klappte es also, und insbesondere die Babler-SPÖ duckte sich. Als Trostpreis bekam sie ein kleines Leckerli: Die Banken müssen von ihren vielen Milliarden Gewinnen und Übergewinnen ein ganz kleines bisschen abgeben; es ist die Rede von 500 Millionen. Stimmen die Zahlen, wäre das 1 1/2 % dieses Profits, den sie der Bevölkerung vorher herausgerissen haben.
Die neue österreichische Außenministerin Meinl-Reisinger in Puls 4 (OÖ Nachrichten, 8. Juli 2022):
"Viele haben noch nicht verstanden, dass wir als Europa diesen Krieg [in der Ukraine] gewinnen müssen ", sagte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger gestern im Puls-4-Sommergespräch. Den NATO-Beitritt von Schweden und Finnland verstehe sie. Allem voran brauche es aber eine neue Sicherheitsdoktrin. Denn die Neutralität schütze Österreich nicht. Schutz biete nur der Verbund mit anderen Staaten. Die Neos seien offen für einen NATO-Beitritt, sagte Meinl-Reisinger. Nur sei Österreichs Heer dafür nicht ausreichend ausgestattet.
Aber um in die Regierung zu kommen, wo ja die Heuchelei und die Lüge gefragt ist, heißt es nun: „Wir sind für eine europäische Armee, und unsere Verteidigung muss auf die EU-Ebene verlagert werden …“
Außenministerin wird eine Frau, die gar nicht radikal genug die Reste der österreichischen Selbständigkeit abbauen kann und welche offen in die NATO Krieg eintreten möchte. Meinl-Reisinger ist Schallenberg zum Quadrat. Der war und ist ein Bürokrat aus dem Außenamt. Er spielte seine Rolle schlicht als Befehlsempfänger für Brüssel. Meinl-Reisinger aber ist eine Janitscharin. Sie treibt von sich aus aktivistisch die Entwicklung voran, die völlige politische Peripherisierung Österreichs. Sie spitzt die Kriegsorientierung und den aktiven Eintritt Österreichs in alle Konfliktfelder voran, welche die Kommission in Brüssel eröffnen und betreiben will. Österreich in dieser Abhängigkeit unwiderruflich zu verankern, ist ihr klares und keines-wegs verborgenes Ziel.
Die Neos haben vor, hier jene Rolle zu spielen, welche die Grünen in der BRD bisher einnahmen: Kriegspartei und Scharfmacher. Sie trieben die deutsche Regierung erfolgreich in diese Richtung. Aber: Das ging nur, weil sie eine Politik vertraten welche die zahlenmäßig überwiegende Kraft ohnehin wollte. Aber die SPD wagte es nicht recht, sich in allen Konsequenzen zu ihr zu bekennen. Exakt diese selbe Situation finden wir auch in Österreich. Die SPÖVP strebt diese Politik an. Nach Außen aber beruhigt der neue Bundeskanzler Stocker (im ORF-Mittagsjournal, 4. März 2005): Die Neutralität steht in der Verfassung, und wir können sie gar nicht ändern… Dass schon 1990 diese Neutralität in einer Nacht-und-Nebel-Aktion als Vorleistung für den EG-Anschluss völlig ausgedünnt wurde; dass in den letzten Jahren eine Situation des permanenten Verfassungsbruchs geschaffen wurde, brauchen wir hier nicht wirklich auszuführen. Aber müsste da nicht der Verfassungs-Gerichtshof aktiv werden, fragen sich manche naiven Gemüter? Die Justiz-Bürokratie steht natürlich erst recht in der hegemonialen Strömung. Sie braucht sich, im Gegensatz zur offiziellen „Politik“, ja nicht zu verantworten. Was sie sagt, ist „Recht“.
Und der Rest von Regierung und Politik? Da gibt es einen neuen Finanzminister Marterbauer. Der kommt als „Experte“ in die Regierung. Der Begriff Experte wird immer vorgeschoben, wenn die Bürokratie glaubt, sie selbst wüsste besser, was der Bevölkerung gut tut, es aber nicht wagt, es offen zu behaupten. Expertenregierungen sind die eigentlichen Hitzeschilder der Bürokratie. Marterbauer als Person kann ich noch nicht beurteilen. Er kommt aus der AK. Das lässt darauf schließen, dass er irgendeine Form des Keynesianismus vertritt. Doch Keynesianismus kann im supranationalen System, wenn überhaupt, nur mehr als Militär-Keynesianismus funktionieren. Das hat von der Leyen auch vor. Sie will fast eine Billion mehr für die Aufrüstung ausgeben als bisher – und sie scheut sich auch nicht mehr, das Wort in den Mund zu nehmen. Schmecken wir der Zahl ein wenig nach: Das ist annähernd doppelt so viel, wie das österreichische BIP ausmacht.
Zu Marterbauer: Jenseits seiner persönlichen Einstellung ist entscheidend, ob er Politiker ist, d. h., sich durchsetzen kann. In einer Regierung wie dieser geht dies nur, wenn er auch den vollen Rückhalt einer wesentlichen Kraft und deren fähiger Führung hat. Und allein das lässt nicht viel erwarten, wenn man auf Babler blickt: Der Vizekanzler ist zuständig für Kunst, Kultur, Medien und Sport – also wirklich zentrale Kompetenzen!!
Ich bin nicht imstande, aus dem restlichen Personal viel über die kommende Politik herauszulesen. Auffällig ist Hattmannsdorfer als Wirtschaftsminister, also in einem Schlüsselressort. Der bislang Landespolitiker und seit Kurzem Wirtschaftskämmerer hat sich in den Regierungsverhandlungen als Scharfmacher profiliert. Die sonstigen Figuren der ÖVP braucht man nicht kommentieren. Jene aus der SPÖ geben ein ziemlich uneinheitliches Bild. Man hat den Eindruck, als ob die Wiener SPÖ den bisherigen Stadtrat Hanke zum eigentlichen Chef aufbauen möchte.
Aber im Grund ist dies nicht so wichtig. Die Richtung ist eindeutig: Weiter wie bisher, und zwar mit mehr Geschwindigkeit. Das eigentliche Ziel ist: Wir akzentuieren die bisherige Politik und machen sie irreversibel. Jede Andeutung einer selbständigeren Politik soll im Keim erstickt werden.
Aber da liegt ein Problem. Die Bevölkerung will dies ganz überwiegend nicht. Und noch gibt es in Österreich ein allgemeines Wahlrecht. Wie wird man diesen Widerspruch auflösen? Die EU experimentiert bereits – denken wir an Rumänien! Der autoritäre Staat der Vierten Republik ist die reale Alternative.
Die Erfindung der Pandemie war eine geniale Strategie des neo-autoritären Staats. In Österreich hieß das Gesicht dieser Politik Sebastian Kurz. Auch in Österreich gingen die alten konservativen Transzendenzen im letzten halben Jahrhundert weitestgehend zugrunde. Das Christentum verschwand nahezu, und das „Christliche Abendland“ hat heute eine ganz andere politische Bedeutung. Aber die neue Diesseits-Orientierung ist keineswegs aktiv und gefestigt. Bei vielen ist es eher ein dauernder Angst-Zustand. Und da taucht plötzlich eine neue aggressive Grippe auf. Man sieht Bilder aus Bergamo mit einer langen Reihe von Särgen und sieht sich bereits selbst in einem solchen liegen. Nur das verhindern! Dazu sind weiteste Kreise bereit, auch drastische persönliche Einschränkungen hinzunehmen. Sehr viele akzeptieren Notstands-Maßnahmen wie die Lockdowns mit ihren langfristigen katastrophalen ökonomischen und sozialen Auswirkungen. Sogar potenziell schädliche körperliche Eingriffe wie den Impfzwang nahmen sie hin, mit seiner unsinnigen Durchführung, etwa auch bei der nicht betroffenen jüngeren Bevölkerung.
Und dann kam der NATO- und EU-Krieg in der Ukraine. Auch hier knüpfte die Politik von Regierung und SPÖ an einen alten Schimmel an: der böse „Russe“ – heute heißt er Putin. Gewessler ließ keine Gelegenheit vorübergehen, ohne nicht das „russische“ Erdgas zu buchstabieren – das US-Flüssiggas, das Fracking etc.: Das ist ja so viel umweltfreundlicher! Und die Preis-Explosion und Inflation – ja das war halt ein Pech, für den die Regierung nichts dafür kann, erzählen uns die Zeitungen und der ORF. Sie müssen uns ja drüber betrügen, dass es zuerst die Corona-Politik war, welche durch massive Geldschöpfung und gleichzeitig Herunterfahren der Produktion – wie im Lehrbuch bei Milton Friedman – die Inflation begründete. Der Wirtschaftskrieg gegen Russland tat das Übrige und feuerte die Teuerung nochmals an.
Aber nun beginnt sich langsam der Widerstand zu regen. Der Protest gegen dieses Amalgam von neoliberaler Politik, autoritärer Gängelung und Selbstaufgabe nach Außen versuchte sich zuerst selbst zu organisieren. Allerdings verschwand die MFG schnell. Die Stimmen wanderten zur FPÖ, vor der sich die politische Klasse von der SPÖ bis zu den Grünen viel mehr fürchteten als vor der single-issue-group einiger ziemlich konservativer Kritiker.
Die sogenannte Große Koalition ist bekanntlich nicht mehr groß. Es ist die Ansammlung aller Kräfte, welche ihre hegemoniale Position retten und damit die bisherige Politik weiterführen will. Dazu gehören natürlich auch die Grünen. Sie haben ja ihre grundsätzliche Zustimmung zur Regierung bereits angekündigt. Und die Bevölkerung?
Der „neue“ Parlamentarismus war stets ein Entpolitisierungsprogramm. Als solcher war er konzipiert. Das können wir in aller Deutlichkeit bei Hans Kelsen nachlesen. Man stilisierte ihn zum „Vater der österreichischen Verfassung“ hoch. Die hat er im Wesentlichen im Auftrag der Sozialdemokraten entworfen. Dieses Programm hat nicht zuletzt in den letzten Jahrzehnten funktioniert. Denn mit dem Anschluss an die EU wurden dieser Verfassung auch die letzten demokratischen Zähne gezogen.
Hat es somit keinen Sinn, diese Verfassung zu verteidigen? Noch gibt es ein allgemeines Wahlrecht, und davor fürchten sich alle Hauptstrom-Parteien. Sie können damit ja nicht nur um ihre Ämter gebracht werden. Solange ein solches Wahlrecht noch existiert, auch in Form von Volksabstimmungen, gibt es Druck-Möglichkeit von unten. Sehr beruhigen kann uns das aber auch nicht. Vergessen wir nicht: Am 5. März 1933 gab es im Deutschen Reich noch Wahlen. Wenige Monate später waren die Reste von Wahlrecht und Einfluss seitens der Bevölkerung weg.