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Travnicek und die Wahlen

Hegemonie-Krise und Putsch-Gelüste der Bürokatie

„Die FPÖ muss sich vom rechten Rand in die Mitte bewegen“, richtet ÖVP-Partei-Obmann Stocker am 24. Jänner seinen künftigen Partnern aus. Das war, nachdem die beiden Parteien in der ersten Verhandlungsrunde in trauter Gemeinsamkeit ein sehr rechtes Wirtschafts- und Sozial-Programm vereinbart hatten. Im Vollgefühl des Verhandlungs-Erfolgs leistet sich der Nieder­österreicher diese Unverschämtheit. Er kann es sich gar nicht vorstellen, dass die ÖVP nicht mehr die Staatspartei schlechthin ist, an der man sich auszurichten hat. 

Der „Klimabonus“ war schon weg, sonstige Leistungskürzungen waren vereinbart. Die soge­nannte Budget-Sanierung („Einsparen“) sollte vorwiegend die Unterschichten und Unteren Mittelschichten treffen. Wenig verwunderlich: Die FPÖ hatte ja ihr Wirtschafts-Programm für den Wahlkampf von der ÖVP abgeschrieben.

Die FPÖ antwortete auf Stockers Verhandlungs-Foul mit dem Vorschlag jener Komponenten, die man tendenziell als „links“ bezeichnen könnte: „Bankenabgabe“, d. h. Besteuerung der Super-Profite der Banken; eine leichte Eingrenzung der EU-Eingriffe; Verteidigung der Neutralität; gewisse Friedens-Gesten im NATO-Angriffskrieg in der Ukraine seit dem 9. April 2014; …

Und plötzlich war Feuer auf dem Dach der ÖVP und der mainstream-Medien. Und was werfen sie der FPÖ in Wirklichkeit vor? Sie werfen ihr vor, ihr Wahlprogramm nicht vollkommen zu vergessen und sofort zu entsorgen. Sie werfen ihr vor, dass sie nicht mit Qualtinger sagt: „Aber gehen’S, die wählen doch nicht zum ersten Mal!“ Das spricht Bände über die politische Kultur keineswegs nur in Österreich. Das sind die bis vor Kurzem hegemonialen Kräfte. Der Wahlkampf ist das Eine. Am Abend des Wahltags sagt man dann wohlerzogen Danke. Und vergisst gründlich Alles, was man vorher gesagt hat. Tut man dies nicht, so sagt einem der WK-Funktionär Mahrer: Ihr seid „nicht regierungsfit“. 

Versuchen wir es eine kleine Spur analytischer: Kickl darf Kanzler werden und die politische Macht verwalten. Aber er muss sich an das Modell Meloni halten. Die Politik muss bleiben wie bisher. Insbesondere muss er sich zu 100 Prozent der EU unterwerfen – eigentlich auch Berlin, aber da weiß man gegenwärtig nichts Genaues. 

Dienstag, 7. Jänner 2025, Österreichischer Rundfunk 18 Uhr 25, Journal Panorama. Eingeladen sind Josef Kalina, ehemals SPÖ-Sekretär, Heidi Glück, ehemals Schüssel Sekretärin und ÖVP-Propagandistin sowie Andreas Mölzer, ehemals FP-Abgeordneter im sogenannten EP. Man spricht über den künftigen Kanzler Kickl. Und bei den Vertretern beider ehemaliger Großparteien – man sagt das noch immer so, meint aber eigentlich hegemoniale Parteien, groß sind sie ja längst nicht mehr – ist: Kickl wird sich schon an uns anpassen. Es ist undenkbar, dass er seine Idee von einer Rückbindung der EU-Herrschaft über Österreich oder seine Politik einer Normalisierung der Beziehungen zu Russland oder der Betonung der Neutralität mit uns durchsetzen will. Es bleibt dem alten Mölzer vorbehalten, darauf hinzuweisen: Da hat es doch eine Wahl gegeben! Die FP ist immerhin daraus als stärkste Partei hervor gegangen. Und heutige Wahlen, das sagt er schon nicht mehr dazu, würden diese Stellung der FPÖ massiv ausbauen. Darauf hin gibt es kurzfristig betropetztes Schweigen der beiden Traditions-Vertreter.

Klarer könnte die Stellung der bisher dominanten Kräfte und der hegemonialen Schichten gegenüber bürgerlich-demokratischen Prozessen gar nicht werden.

Wir habe jetzt angeblich eine „Staatskrise“. Das klingt ominös und nach Notstand, wie er schon einmal zur Abschaffung der österreichischen Demokratie ausgerufen wurde – wir befinden uns im Feber. Als Ausweg – für die Eliten – aus dieser Hegemonial- und politischen Krise bieten sie uns eine italienische Lösung, auf Österreichisch, an: eine „Experten-Regierung“. Wir müssen uns völlig im Klaren sein: Diese „Entpolitisierung“ bedeutet nur eine noch stärkere Umpolitisierung hin zum bürokratischen Autoritarismus. Sehen wir uns doch das Personal an! Besonders ernst dürften es die FPÖ mit ihrer Wende nicht gemeint haben. Sie hätte sonst niemals Schallenberg als Übergangs-Kanzler akzeptieren können. Das ist der geborene Ja-Sager, der Kopf-Nicker vom Dienst in Richtung Brüssel, man ist wirklich an die Typen aus der österreichischen Geschichte erinnert, welche ihre Anordnungen damals direkt aus Berlin erhielten. Aber Seyss-Inquart weigerte sich noch, um den Einmarsch deutscher Truppen zu bitten.

Und genau das wollen die Eliten und die politische Klasse. SP-Novotny, ehemaliger ÖNB-Präsident, pardon: Gouverneur, gibt den Ton vor. Er plaudert und erzählt: Als 2015 Varoufakis die griechischen Interessen verteidigte, „da hat er Griechenland sehr geschadet“. Speziell die Deutschen haben dann für seine Entlassung gesorgt und dem Tsipras gezeigt, wo’s lang geht. Die folgenden Maßnahmen der Troika enthielten offenbar auch einen Straf-Aufschlag für diese griechische Frechheit.

Wieder haben wir das alte Problem: Die Einflussnahme von Außen funktioniert, weil es im Inneren genug Kollaborateure gibt. Meinl-Reisinger, Kogler oder auch den Wiener Bürgermeister Ludwig sind einer Meinung. Und auch Doskozoil verlangte schon eine „Experten-Regierung“. Und Babler? Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass ehemalige, sogenannte „Linke“ besonders eifrig sind wenn sich in den Dienst der Herrschenden stellen. Denken wie an Lacina, an Heinz Fischer; auch Gusenbauer hat sich in jungen Jahren als „Linker“ stilisiert. 

Von der ÖVP, schein’ts, ist derzeit als Partei gar nicht mehr vorhanden. Und doch steht sie im Zentrum des Geschehens. Ohne sie geht institutionell nichts. Gleichzeitig ist sie politisch handlungsunfähig. Ihre unterschiedlichen Flügel zerreißen sie noch mehr als die SPÖ. Beide Parteien spiegeln die österreichische Gesellschaft.

Linke haben immer wieder auf Krisen gewartet. Aber die Rechten, die Herrschenden, die Hege­monialen haben sie genutzt, um ihre Anliegen durchzubringen, und sehr häufig mit Erfolg.